Hans Staden fuhr zweimal nach Südamerika. Wir tun es ebenfalls. Das zweite Blockseminar zu den ersten deutschsprachigen Berichten aus der Neuen Welt führt nach Argentinien, Brasilien und Venezuela.
Zuerst steuern wir die Mündung des Rio de la Plata an und treffen auf den aus Bayern stammenden Landsknecht Ulrich Schmidl. Mit einer spanischen Expedition kam er nach Südamerika, wurde zu den Mitbegründern der Stadt Buenos Aires, reiste ins Innere des Kontinents, bis an den Fuss der Anden, kehrte schliesslich in die Heimat zurück und schrieb seine Wahrhafftige Historien einer wunderbaren Schiffahrt (erst nach seinem Tod gedruckt).
Dann reisen wir mit Hans Staden, einem Berufskollegen von Staden, zu den «Menschfresserleuthen in der Newenwelt America». Auch er kam mit den Spaniern an die südamerikanische Küste, wurde von den als Kannibalen bekannten Tupinambá in Brasilien gefangengenommen, kam lebend wieder nach Europa zurück und liess seinen Reisebericht in Marbach 1557 mit vielen Holzschnitten im Druck erscheinen. Die Tupinambá und ihre Kultur stehen im Zentrum seiner Wahren Historia, und die Holzschnitte prägen die frühe Ikonografie der Indianer. Stadens Historia enthält auch zoologisch relevantes Wissen und zählt heute zu den ersten ethnografischen Dokumenten über Kulturkontakte zwischen Europäern und Indigenen in Südamerika.
Schliesslich stossen wir in Venezuela auf Goldsucher wie Nikolaus Federmann, der einen Reisebericht mit dem Titel Indianische Historia hinterlassen hat, und Philipp von Hutten, der Generalkapitän von Venezuela wurde und eifrig korrespondierte. Er selbst kam nicht mehr lebend nach Europa zurück, doch ein Teil seiner Briefe (später gedruckt unter dem Titel Zeitung aus India).
Das Blockseminar bietet die Chance, Zeugen und Zeugnisse der „ersten Globalisierung“ kennenzulernen, als Europa im 16. Jahrhundert nach der „Federschlange“ (und auch nach dem „Drachen“ China) griff, wie der Lateinamerika-Spezialist Serge Gruzinski die Indianerkulturen Mittel- und Südamerikas nannte. Die erwähnten Texte, Autoren und Schreibkontexte werden uns ebenso beschäftigen wie Fragen der Authentizität, auch im Blick auf den deutschen Buchmarkt, die Brennpunkte der ethnografischen Neugier, die Ikonografie der ‚Wilden‘ in der Frühen Neuzeit in der Druckgrafik sowie filmische Adaptionen aus Lateinamerika und Europa.
Da die Lehrveranstaltung als Blockseminar durchgeführt wird, ist die Voranmeldung aus Planungsgründen obligatorisch. Sie erhalten das Anmeldeformular bei info(at)hildegardkeller.ch. Bitte mailen Sie es zurück bis spätestens 26. Januar 2015.
Die schriftliche Arbeit wird vor dem Beginn von Teil 2 des Blockseminars eingereicht und bildet eine wichtige Grundlage für die anschliessende Arbeit im Plenum. – Willkommen sind auch Studierende, die das Modul für das Diplom des Höheren Lehramts benötigen.
Teil 1:
Montag, 17. März 2014, 16.15-19.00 Uhr: Einführung in Thema und Arbeitsweise (KOL G 204)
Teil 2:
Freitag, 29. Mai 2015, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr (SOD, 105)
Samstag, 30. Mai 2015, 9.00-20 Uhr (SOD, 105)
Sonntag, 31. Mai 2015, 9-17 Uhr (SOD, 105)
1492 brachen die ersten Europäer von der iberischen Halbinsel auf und landeten auf amerikanischem Boden. Die illiterate Neue Welt und die Alte Welt, in der damals in deutschsprachigen Städten der Buchdruck rasch an Terrain gewann, prallten erstmals aufeinander. Jahrzehnte später entfaltet sich dieser culture clash mit Auswirkungen beidseits des Atlantiks in seiner ganzen Schärfe. Mittlerweile lagen mehrere europäische Länder im Wettstreit um die Herrschaft auf dem neuen Kontinent, stets mit indigenen Allianzpartnern.
Der deutsche Söldner Hans Staden heuerte auf spanischen und portugiesi-schen Schiffen an. Bei einer Erkundung der südamerikanischen Küste wurde er von den als Kannibalen bekannten Tupinambá in Brasilien gefangengenommen, kam jedoch lebend nach Europa zurück. In Marbach erschien 1557 seine „Historia“ im Druck; der Autor stützte sich zur Verbreitung seines illustrierten Erfahrungsberichts auf das neue Medium. Der mit zahlreichen Holzschnitten ausgestattete Druck wurde international zu einem Bestseller. Stadens „Historia“ zählt zu den ersten ethnografischen Dokumenten über Kulturkontakte zwischen Europäern und Indigenen in Südamerika, enthält zoologisch relevantes Wissen und wurde in die von Theodor de Bry in Frankfurt herausgegebene Reiseberichtsammlung (Band 3, 1593) aufgenommen.
Im Seminar werden wir uns Stadens Bericht und modernen filmischen Adaptionen aus unterschiedlichen Perspektiven annähern: Stadens Biografie und seine Berufskarriere in fremden Diensten – seine Schreibmotivation und Erfahrungsgrundlage; Fragen der Authentizität autobiografischer Textproduktion und der ethnografischen Neugier; die Ikonografie der ‚Wilden‘ in der Frühen Neuzeit in der Druckgrafik; ein Söldnerbericht aus Bestseller auf dem Buchmarkt; die Bedeutung sozialer Netze für die Buchproduktion; ein frühneuzeitlicher Bericht über ‚Wilde‘ und moderne filmische Adaptionen.
Da die Lehrveranstaltung als Blockseminar durchgeführt wird, ist die Voranmeldung obligatorisch (bis 17. Februar). Sie erhalten das Anmeldeformular bei info@hildegardkeller.ch. Willkommen sind auch Studierende, die das Modul für das Diplom des Höheren Lehramts benötigen. Die schriftliche Arbeit wird vor dem Beginn von Teil 2 des Blockseminars eingereicht und bildet eine wichtige Grundlage für die anschliessende Arbeit im Plenum.
Teil 1:
Montag, 24. Februar 2014, 16.15-19.00 Uhr: Einführung in Thema und Arbeitsweise
Teil 2:
Freitag, 16. Mai 2014, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
Samstag, 17. Mai 2014, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
Sonntag, 18. Mai 2014, 10.15-13 Uhr 14-16 Uhr
Die Arbeit «Von Tuppin Jmbas, Pirahãs und Canelas – Semantik und narrative Strukturen in Stadens ‚Warhaftiger Historia‘ im Vergleich mit zeitgenössischen Erlebnisberichten» von Manuel Bamert wurde durch den Rektor der Universität mit einem Semesterpreis ausgezeichnet.
Der zeitlich-geografische Fokus dieses Seminars – die ersten sechs Jahrzehnte in Zürich – bringt gewaltige Umwälzungen für die Stadt Zürich und die ganze Eidgenossenschaft in den Blick. Sie wirken nachhaltig auch auf die hiesige Textproduktion, Drucksituation, Bildungslandschaft und den städtischen Kulturbetrieb ein. Welche Lese-, Lehr- und Schreibsituationen sind davon betroffen? Welche Interessensgruppen formen sie mit?
Manche Zürcher (und nicht wenige Immigranten) nutzen in diesen Jahrzehnten ihre Chance auch als Autoren, Drucker und Grafiker. Die einen fanden sie innerhalb der vorbestimmten Bahnen ihrer Herkunft, die anderen bauten auf ein selbstbestimmteres Leben, alle aber verhielten sich in je eigener Weise zum religiösen, politischen und wissenschaftlichen Aufbruch. Autorinnen sind nicht aktenkundig geworden, doch die Frauen werden als Leserinnen und Lernende wichtig.
Wir werden uns mit Texten unterschiedlicher Gattungen (u.a. Legenden, Theaterstücke, Flugblätter, Kalender sowie Wissensliteratur aus der Medizin, Zoologie, Sprachgeschichte), aber auch mit Artefakten (u.a. Gemälde, Skulpturen, Stadtansichten, Kirchen) und der Topografie Zürichs auseinandersetzen.
Da die Lehrveranstaltung als Blockseminar durchgeführt wird, ist die Voranmeldung obligatorisch (bis 21. Januar). Sie erhalten das Anmeldeformular bei info@hildegardkeller.ch. Willkommen sind auch Studierende, die das Modul für das Diplom des Höheren Lehramts benötigen. Die schriftliche Arbeit wird vor dem Beginn von Teil 2 des Blockseminars eingereicht und bildet eine wichtige Grundlage für die anschliessende Arbeit im Plenum.
Teil 1:
Mi, 13. März 2013, 16.15-19 Uhr: Einführung in Thema und Arbeitsweise
Teil 2:
Fr, 10. Mai 2013 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
SA, 11. Mai 2013, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
SO, 12. Mai 2013, 10.15-13 Uhr 14-16 Uhr
Lange vor dem ersten systematischen Traktat über die Naturgeister spielte das Erzählmotiv der Ehe zwischen einem Mann und einer nicht-menschlichen Frau aus der Sphäre der Wasserwesen – Naturgeister, Hybridwesen mit Schlangen- oder Fischschwanz, anonym oder mit Namen wie Melusine, Ondine, Undine – eine wichtige Rolle. Seine Beliebtheit lässt sich weit über den deutschsprachigen Raum des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit hinaus nachweisen.
Diese Popularität transformierte und intensivierte sich gegen die Moderne, in Literatur, Musik und Malerei; einige von Böcklins Wasserfrauen-Porträts in Öl sind auch in Zürich zu sehen. Die Marketingstrategien der amerikanischen, aber auch der japanischen Filmindustrie verliehen dem Motiv der Wasserfrauen eine Niedlichkeit und Harmlosigkeit, von denen sie sich kaum mehr erholen dürften. Der Fokus auf der dämonologischen Beschäftigung mit diesen Wesen in der frühneuzeitlichen Naturphilosophie und der Medizin sucht ein Gegengewicht zu schaffen.
Teil 1: Do, 15. März 2012, 16.15-19 Uhr: Einführung in Thema und Arbeitsweise
Teil 2:
Fr, 11. Mai 2012, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
SA, 12. Mai 2012, 9.00-13 Uhr 14-20 Uhr
SO, 13. Mai 2012, 10.15-13 Uhr 14-16 Uhr
Das Blockseminar konzentriert sich auf das wohl populärste Erzählgut des Mittelalters. Luther und andere Reformatoren gingen so vehement gegen die „Lüge“ der Legenden vor, dass man Legenden für eine genuin antimoderne Gattung halten darf. Legenden stellen Fiktionalität und Faktizität als Grundkategorien literarischer Texte zur Diskussion.
Im Zentrum des Seminars stehen die Gründungslegenden der Stadt Zürich mit ihrer Überlieferungs- und Textgeschichte vom Frühmittelalter bis zur Reformation. Dazu zählen verschiedene Textfassungen der Vita der Stadtheiligen (Martyrium der Heiligen Felix, Regula und Exuperantius) sowie Legenden um die drei Hauptkirchen Fraumünster, Wasserkirche und Grossmünster (Karl der Grosse).
Gleichzeitig sprengt die Gattung wie kaum eine andere die mittelalterliche deutschsprachige Literatur auf. Als Vergleichstexte ziehen wir ausgewählte Legenden aus dem Werk des Zürcher Staatsschreibers Gottfried Keller hinzu. Sie bieten neue Perspektiven auf die Gattung (Erneuerung, Parodie), auf die Zürcher Landschaft und die Rezeption der mittelalterlichen Zürcher Literaturszene im 19. Jahrhundert.
Imaginationen über Existenzmöglichkeiten nach dem Sterben gehören zu den Universalien der Kulturgeschichte. Bilder und Texte aus fast allen Kulturen suchen das Geheimnis zu erhellen, und immer auch gab es seherisch veranlagte Menschen, die als Vermittler zum bzw. als Führer durch das sogenannte Jenseits tätig waren. In der christlichen Kultur sind sie besonders zahlreich, weil das Leben nach dem Leben auf Erden eine Aufwertung gegenüber der griechisch-römischen Kultur erfuhr und deshalb besonders erkundenswert gewesen sein muss. Berichte von Menschen, die in einen Scheintod fielen, so dass ihre Seelen den Körper verlassen und das Jenseits bereisen konnten, waren weit über die deutschsprachige Literatur des Mittelalters hinaus verbreitet.
Die christlichen Jenseitsreisen aus dem Mittelalter erfolgen oft in Begleitung eines Engels und führen zu den Stätten des Grauens und der Läuterung sowie der Glückseligkeit. Es sind spektakuläre Orte. Was sich dort vollzieht, entzieht sich der Erfahrung und nährt die Vorstellungskraft umso mehr. Zweifellos waren die Berichte von Jenseitsreisen auch deshalb populär, weil sie die profane curiositas der Menschen, ihre Sensationslust und vielleicht auch ihre Faszination für Gewaltdarstellungen reizten. Das Ausgangsmaterial des Seminars setzt sich aus Texten und Werken der bildenden Kunst des Hoch- und Spätmittelalters, vor allem Buch- und Tafelmalerei, sowie aus Spielfilmen zusammen. Die Lehrveranstaltung wird als Blockseminar in der zweiten Maihälfte 2010 durchgeführt. Die Seminararbeit wird vor dem Beginn des Blockseminars verfasst und stellt eine Grundlage der Seminargespräche dar.
Die sprachliche Gestaltung mystischer Texte ist oft herausragend, kühn und vermag bis heute zu faszinieren.
Zwischen 1150 und 1700 sind Hoheliedkommentare, Predigten, Lehrdialoge, Viten und Gedichte entstanden, die gemeinsam die sogenannte deutschsprachige Mystik verkörpern. Dieses heterogene Textkorpus bietet sich an, um die wesentliche Annahme der Mystik zu erforschen: Sprache und Erfahrung sind untrennbar miteinander verbunden.
Die deutschsprachige Mystik stammt aus unterschiedlichen institutionellen, sozialen und geografische Kontexten: Ihr primärer Ort war während Jahrhunderten das Kloster, ab dem Spätmittelalter zunehmend auch städtische Laien – bald als Individuen, bald als mehr oder weniger geschlossene Gruppierungen. Folgende Perspektiven stehen im Fokus des Blockseminars:
Die Lehrveranstaltung wird als Blockseminar in der zweiten Maihälfte 2009 durchgeführt. Die Seminararbeit wird vor dem Beginn des Blockseminars verfasst und stellt eine Grundlage der Seminargespräche dar.
Legenden gehören zum weltlichen und religiösen Erzählgut des Mittelalters und waren so populär wie kaum eine andere Textsorte. Deutschsprachige Legenden – lat. legenda ‚das zu Lesende‘ – wurden seit dem Frühmittelalter mit Hilfe anderer sprachbezogener sowie visueller Medien verbreitet. Im Blick auf diese Multimedialität ist nach Kontinuitäten und Brüchen hinsichtlich der Formen und Funktionen von Legenden zu fragen.
Im Seminar werden Texte bzw. Bildmedien von den Anfängen der christlichen Legende bis zur Gegenwart behandelt, das Hauptgewicht liegt jedoch auf der Zeit zwischen 1150 und 1550.
Die Lehrveranstaltung wird als zweiteiliges Blockseminar im Mai 2008 durchgeführt. Die Seminararbeit wird vor dem Beginn des Blockseminars verfasst und stellt eine Grundlage der Seminargespräche dar.
Melusine ist im späten Mittelalter ein in vielerlei Hinsicht herausragendes Mitglied eines adligen Familienverbandes und als Protagonistin in lateinischen und volkssprachlichen Erzähltraditionen (französisch, deutsch, spanisch, italienisch, englisch). Ihr Fall und ihr Status zwischen Fiktion und Fakt scheint den Zeitgenossen geeignet, um juristische, naturphilosophische und medizinische Fragestellungen zu disputieren.
Die Vorlesung präsentiert die deutschsprachige Melusine-Tradition und diskutiert einige weisse Flecken der Forschungsgeschichte. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Von Kopf bis Fuss, vom kleinen Finger bis hinunter zu den Füssen eröffnet sich ein Erzählraum. Die Vorlesung zeigt anhand eines Korpus früh- bis spätmittelalterlicher Texte, wie das Sichtbare und das Unsichtbare, der homo exterior und der homo interior, in ihrer Interdependenz literarische Gestalt annehmen. Frühmittelalterliche Genesisdichtungen, hochmittelalterliche Hoheliedexegese und höfische Romane sowie spätmittelalterliche Mären führen historische Wissenswelten und gattungsspezifische Anthropologien vor Augen. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Wenn der Dominikaner Heinrich Seuse (1295/7-1366) in der Vita seine Lebens- und Gotteslehre entfaltet, präsentiert er sich als ein begnadeter Erzähler und literarisch produktiver Exzentriker. Für die Entwicklung der deutschen Literatur des Spätmittelalters nicht minder wichtig ist er als Brief- und Predigtautor im Kontext der von ihm betreuten Frauengemeinschaften im alemannischen Raum.
Die Vorlesung (mit Exkursion) führt in Leben und Werk, in die Gattungs- und Überlieferungsgeschichte sowie in die reich illustrierten Bilderhandschriften mit Seuses Exemplar ein. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Welche Impulse zur Selbstthematisierung erhält die Literatur, wenn sie über Stock und Stein spaziert? Die Vorlesung führt in literaturtheoretische Fragestellungen ein, welche die mediävistische Beschäftigung mit Texten befruchten können. Es werden mittelalterliche Dichtungstheorien vorgestellt und anhand ausgewählter Texte aus verschiedenen Gattungen diskutiert. Die Perspektive der Ausführungen orientiert sich an den Referenzen zur physikalischen Welt. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Gemeinsam mit Andrea Kauer
Das Leben des Jakob Ruf – Chirurg, Zürcher Stadtschnittarzt, Hebammensupervisor und Theatermacher – fällt in die äusserst bewegte erste Hälfte des 16. Jahrhunderts in Zürich. Ruf ist somit Zeitgenosse von Heinrich Bullinger und Konrad Gessner und Berufskollege des Paracelsus. Sein theatralisches und medizinisches Werk bietet vielfältige medien- und kulturhistorische Herausforderungen. Wer sich hier engagieren möchte, lernt einen faszinierenden Ausschnitt der frühneuzeitlichen Gebrauchsliteratur sowie der Zürcher Stadt-, Literatur-, Medizin- und Kommunikationsgeschichte kennen.
Das Seminar bietet den Teilnehmenden die ebenso herausfordernde Gelegenheit, an der Konzeption und Realisation einer auf dieses Werk konzentrierten Ausstellung im «Strauhof Zürich» aktiv teilzuhaben. Zudem erhalten sie Einblick in das an der Universität Zürich durchgeführte Forschungsprojekt Jakob Rufs Theater- und Heilkunst und kommen mit Gästen aus Kulturinstitutionen ins Gespräch.
Empfohlen ist auch der Besuch des Arbeitskreises zum Seminar (Leitung: Andrea Kauer)
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Gemeinsam mit Freia Odermatt
Wie kann man Meister Eckharts Lob der gelâzenheit in eine moderne Ausdrucksweise übersetzen? Man findet verhaltenspsychologische Analogien (gelâzenheit als Coolness) sowie Deutungen im Zeichen der „emotionalen Intelligenz“ (gelâzenheit als ‚Technik der Selbstberuhigung‘, des Selbstmanagements). Eckharts Verständnis von gelâzenheit zielt auf das radikalste Denken von Schöpfung und Geschöpf. Ein anspruchsvolles Programm – nicht nur für die mittelalterlichen Dominikanerinnenklöster, in denen Meister Eckhart und sein Schüler Johannes Tauler predigten.
Wir wollen es gemeinsam kennen lernen:
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des religiösen und weltlichen Spiels im Spätmittelalter soll die im 16. Jahrhundert äusserst lebendige Theaterlandschaft in der alten Eidgenossenschaft präsentiert werden. Anhand von Fallstudien zu den geographischen Zentren möchte ich aufzeigen, wie öffentliche Aufführungen in den Städten, aber auch die entsprechenden Bild- und Text-Medien (handschriftlich oder gedruckt vorgelegte Dramentexte mit ihren Illustrationen) als Medien zur aussen- und innenpolitischen Reflexion, zur reformationspolitischen Auseinandersetzung und zur religiösen Didaxe genutzt werden. Ein besonderer Akzent soll auf die Theaterpraxis der reformierten Stadt Zürich gelegt werden. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Mit Jeffrey F. Hamburger, Dept. of History of Art & Architecture, Harvard University
An der bildenden Kunst des 16. Jahrhunderts brechen sich die religions-, medien- und wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklungen einer überaus ereignisreichen Zeit. Das gemalte und gedruckte Bild bringt eine neue Sicht auf Mensch und Welt aufs Papier und unter die Leute, ist Gegenstand sowohl der Verehrung als auch der heftigsten Ablehnung, und es wird eingesetzt als Waffe oder didaktisches Mittel. Das Seminar wird vor allem die Buchmalerei und die Druckgraphik ins Auge fassen und sich auf die Wechselwirkungen der medien- und religionsgeschichtlichen Umbrüche konzentrieren.
Ein erster Teil ist den zeitgenössischen Visualisierungstechniken und Bildmedien sowie dem bildtheoretischen Pro und Contra auf reformatorischer und gegenreformatorischer Seite gewidmet. Ein praktischer Teil führt in Bibliotheken und Kupferstichkabinette, wo an konkretem Anschauungsmaterial untersucht werden soll, inwiefern die neuen technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften die Visualisierungsmodi sowie die Sehgewohnheiten reformiert haben.
Hier bietet sich den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lizentiats- und Doktorarbeiten zu präsentieren, ihre Probleme heuristischer, methodischer oder sprachlicher Art zu diskutieren und in einen inspirierenden Austausch mit ihresgleichen zu treten. – Nach Vereinbarung.
Wer seine Auftrittspräsenz entwickelt, arbeitet am eigenen Körper, an der Atmung, der Haltung und der Stimme. Geeignete Übungen werden die Lust am Rezitieren, am Auftreten usw. fördern. Diese Arbeit wird um den Aspekt der Textgestaltung ergänzt, der sich auf mittelhochdeutsche Texte aus der höfischen Epik beziehen wird. Ausgehend von Hartmanns von Aue Erec werden wir eine Hörfassung herstellen und somit auf ein konkretes Ziel hin arbeiten: eine âventiure auf CD-ROM.
An Hartmann von Aue kommt Literaturfreund vorbei. Man darf annehmen, dass der literarisch kompetente Ritter das erzählerische Verlebendigen vergangener Zeiten sehr schätzte und bei den buochen wohl nicht seine armseligsten Stunden verlebte. Auch wenn Hartmanns Hauptaktivität nach eigenen Aussagen nicht im tihten lag, so hinterliess er doch ein umfangreiches Gesamtwerk aus höfischen Epen, Lyrik, dialogischer und legendenhafter Dichtung.
Hörerinnen und Hörer, die Hartmanns Texte parallel zur Vorlesung mitlesen, erarbeiten sich hier ein kanonisches Werk und lernen den für die hochmittelalterliche Literatur bedeutsamsten Kulturtransfer( zwischen französischer und mittelhochdeutscher Literatur und zwischen geistlicher und weltlicher Denkwelt) kennen. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Möchten Sie mit Erasmus von Rotterdam auf seinem „Steckenpferd der Schreibfeder“ reiten? Segeln Sie vielleicht bereits mit in Sebastian Brandts Schiff nach Narragonien? Anhand von grossen Texten der frühneuzeitlichen Narrenliteratur versuchen wir eine Typologie der Torheit zu entwickeln: erstens interessiert der Tor als Figur der Intellektualität, der Negation und der Negativität, zweitens als Figur des masslosen Bejahens, des Überbordens und des unverschämten Körpers und drittens als Überlagerung von beidem. Diese Koinzidenzen werden uns in nicht allein theoretischer Hinsicht beschäftigen. Die praxisbezogene Arbeit an den Texten ist den Narren und Närrinnen auf der Bühne und in Theatertexten gewidmet.
Im Rahmen des Seminars haben wir am 19. und 20. Juni 2004 unter dem Titel „Ahoi! Eine närrische Soirée“ einen öffentlichen Anlass auf dem Greifensee durchgeführt.
Mit Stefan Camenzind
Wer seine Auftrittspräsenz entwickelt, arbeitet am eigenen Körper, an der Atmung, der Haltung und der Stimme. Geeignete Übungen werden die Lust am Rezitieren, am Auftreten usw. fördern. Diese Arbeit wird um den Aspekt der Textgestaltung ergänzt, der sich auf mittelhochdeutsche Texte aus der höfischen Epik beziehen wird. Die gemeinsame Arbeit wird sich sowohl an der persönlichen und zukünftigen Praxis der Studierenden als auch am gemeinsamen Arbeitsziel orientieren.
Schreibende Hände sind uns aus mittelalterlichen Darstellungen vertraut: die schreibende Hand eines über das Pergament gebeugten Mönchs – die aus einem Samtärmel hervorlugende Frauenhand, die in einem Buch blättert – die Gotteshand, die aus einem Wolkenkörper ein Spruchband auf die Erde entrollt.
Solche Hände gehören zum „grand récit“ der mittelalterlichen Literaturszene. Die Überblicksvorlesung widmet sich Fragen wie den folgenden: In wessen Hand lag die Produktion von Texten (zum einen das Verfassen, Kompilieren, und andere Differenzierungen der Textproduktion – zum anderen die Herstellung von Beschreibstoffen, das Schreiben, Rubrizieren, Illuminieren)? In wessen Hände gelangten die Codices, Inkunabeln und Frühdrucke? Inwiefern lässt sich im Früh-, Hoch-, Spätmittelalter von einem Literaturbetrieb sprechen?
Präsentiert werden Personenkonstellationen, Schreibwerkstätten, (Vor-)Lesesituationen, Inspirationsquellen, Buchmärkte – ideelle und materielle Interessenslagen der Literaturproduktion und -rezeption. Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Gemeinsam mit Jeffrey F. Hamburger, Dept. of History of Art & Architecture, Harvard University
Wer vor einem aufgeschlagenen mittelalterlichen Codex sitzt, sieht das Resultat eines artistisch anspruchsvollen Team-Projekts (Dichter, Schreiber, Illuminator, Rubrikator, Kommentator). Die Pergament- oder Papier-Seite weist entzifferbare Spuren auf, denn sie stellt ein System von Repräsentationsmodi dar. Vier Blockseminar-Tage lang können die Teilnehmenden das Auge dafür schärfen.
Es handelt sich um ein germanistisch-kunstwissenschaftliches Blockseminar, das vom 19.-22. November 2003 im Deutschen Seminar (und in den beiden Tages-Arbeitsorten St.Gallen und Einsiedeln) und am 26. Januar 2004 in Engelberg in Kooperation mit einem der international renommiertesten Kenner der mittelalterlichen Buchmalerei stattfinden wird. Unser Ziel ist es, die Teilnehmenden an die in unserer Umgebung liegenden Schätze und die Arbeitsmethoden einzuführen. Wir werden an Faksimiles und Handschriften in den Klosterbibliotheken von St.Gallen, Einsiedeln und Engelberg Text-Bild-Beziehungen kennenlernen und diskutieren.
Öffentlicher Abendvortrag von Prof. Hamburger:
Körper versus Buch. Der Tropus der Sichtbarkeit in den Verbildlichungen jüdisch-christlicher Polemik.
Zeit und Ort: Donnerstag, 20. November 2003, 18.15 Uhr, KO2_F_152
Antworten aus mediävistischer Perspektive
Über Liebe bzw. minne wird im Mittelalter ebenso viel geschwiegen wie gesprochen. Die höfische Erzählliteratur stellt Fragen, die in den Kern der zwischenmenschlichen Liebe vordringen, wie sie sich aus der Sicht des adligen Publikums darstellte. Sie zeigt aber auch spielerische Strategien, welche die Romanautoren gerade am Gegenstand der Liebe entwickeln.
Die Vorlesung wird aus diesem Neben- und sogar Ineinander von Negativität (das Nichtsagbare, das Unsägliche, das Ausgesparte) und Positivität (das Beobacht- und Beschreibbare, das Äusserbare) ein Profil des Phänomens entwickeln. Als materielle Basis dienen zum einen fiktionale und pragmatische Texte der europäischen Literatur des Mittelalters (miteingeschlossen sind entsprechende Illuminationen und Realien) – zum andern historische Meta-Texte mit systematischem Zugriff und komplementäre moderne Theoriekonzepte.
Forschungskolloquium zur Vorlesung
Gemeinsam mit Freia Odermatt
Hier werden Texte zur Vorlesung vertieft behandelt und Fragestellungen der Vorlesung kritisch hinterfragt. Besonders willkommen sind Studierende, welche die Vorlesung besuchen und sich in gemeinschaftlicher Textarbeit engagieren möchten.
An den frühesten Rändern der deutschen Literaturgeschichte lässt sich Faszinierendes beobachten: Anfänge einer historischen Epoche, einer gesprochenen Sprache und ihrer Verschriftlichung, der Verwendung der Sprache als Medium des Heilens, Lehrens, Betens, Lobens, Erzählens. Das Seminar widmet sich einer Auswahl von althochdeutschen Texten. Beobachtbar wird daran auch, wie sich ein religiöses System und damit auch ein politisch-kultureller Raum – Europa – zu etablieren beginnt.
Die Zeit zwischen 750 und 1000 ist eine solche, hochspannende Randzone. Aus ihr ist eine ganze Reihe von althochdeutschen TEXTSPLITTERN auf uns gekommen – ein Ausdruck, der nur für die beiden integral überlieferten Werke (Heliand, Evangelienbuch Otfrids von Weissenburg) nicht gilt. Mit Blick auf diese erste deutschsprachige Textüberlieferung konkretisiert sich die Frage: Worin wurzelt das Schreiben in althochdeutscher Sprache? Im Seminar finden wir je neu fallbezogene Antworten auf diese Frage, indem wir an Texten aus der Seelsorge, der Schulung, der Heldendichtung und der Sprachmagie ansetzen.
Ich biete den Interessierten eine Stunde zur intensiven, gemeinsamen Arbeit an, in der wir sprachliche Probleme lösen, interdisziplinäre Aspekte vertiefen und methodische Fragestellungen behandeln können.
Die Übung ist für Seminarteilnehmende nicht obligatorisch.
Die Vorlesung befasst sich mit der Barockemblematik – einer literarischen, von der Literatur dann auch in andere Kunstsparten ausstrahlenden Ausdruckskunst, die Bild und Text kombiniert. Nach einer Einführung in ihr Strukturprinzip und ihre Funktionalisierungen in der Literatur werden Zeugnisse der sog. Angewandten Emblematik ins Blickfeld rücken. Es handelt sich um Bildprogramme repräsentativer Architektur, die noch heute in der deutschen Schweiz im Original zu besichtigen sind. Exkursionen an die Schauplätze sind vorgesehen.
Mit Clausdieter Schott und Michele Luminati, Rechtswissenschaftliches Institut der Universität Zürich.
Der Autor des berühmtesten mittelalterlichen Rechtsbuches in der Volkssprache formuliert die Intention seines Sachsenspiegels mit dem folgenden Vergleich: Wie durch einen Spiegel den Frauen ihr Antlitz, das sie erblicken, bekannt wird, so mache sein Text die Sachsen mit ihrem Recht vertraut. Was sich hinter dem scheinbar schlichten Spiegelungsanspruch verbirgt, kann in diesem interdisziplinären Seminar aus rechtshistorischer und literaturwissenschaftlicher Sicht untersucht werden.
Mögliche Arbeitsfelder:
Dietrich von Bern (eigentlich: von Verona) galt noch bis in die frühe Neuzeit hinein als der bekannteste Held aus der germanisch-deutschen Sagenwelt. Dieser Protagonist sehr populärer Erzählstoffe lässt die Erinnerung an den Ostgotenkönig Theoderich fortleben, und zwar in drei selbständigen Teilüberlieferungen. Eine davon, die aventiurehafte Dietrichepik aus dem 13. Jahrhundert, steht in Auswahl im Zentrum des Seminars. Dietrichs abenteuerliche Kämpfe gegen meist übernatürliche Gegner – Drachen, Riesen und Zwerge – erlauben verschiedene methodische Zugriffe. Erzählen in einer semioralen Gesellschaft; ästhetische Interaktionsmuster heldenepischer Texte, Gattungshybride, ritualtheoretische und kulturanthropologische Aspekte des Helden, interkulturelle Erzählschemata des Kampfes, die Ikonographie und ein Blick in die aussereuropäische Heldenepik – so lässt sich das Experimentierfeld für die Seminar-TeilnehmerInnen eingrenzen.