Jakob Ruf lebte von 1505 bis 1558 und war ein Selfmademan des 16. Jahrhunderts. Er stammte aus Konstanz und emigrierte nach Zürich. Dort machte er als Stadtschnittarzt Karriere und reformierte als interimistischer Stadtarzt in Zürich die Hebammenausbildung. Er war Autor von Theaterstücken, die er mit Zürcher Jugendlichen und Männern aufführte. Er schrieb medizinische Werke auf Lateinisch und Deutsch, politische Lieder, Prognostiken, Fischsprüche, Kalender und Flugblätter. Sein Gesamtwerk offenbart einen engagierten Vermittler zwischen der Welt der Gelehrten, Handwerker und der „gemeinen Frau“ bzw. dem „gemeinen Mann“. Jakob Ruf starb am 20. Februar 1558.
Für die Gesamtausgabe von Jakob Rufs Werk haben wir uns für die modernisierte Schreibweise Jakob Ruf entschieden. Wer elektronisch recherchiert, wird im Auge behalten müssen, dass viele Datenbanken noch die veralteten Schreibungen des Familiennamens verwenden. Der Name Ruf wurde nämlich im 16. Jahrhundert in vielen Varianten geschrieben. Rufs Name wurde bis 2008 nicht einheitlich geschrieben, weder in der alten Forschung noch in den Bibliothekskatalogen und Online-Verzeichnissen. So stiftete die Schreibung von Rufs Name viel Verwirrung, es kam es zu Falschidentifikationen (mehr dazu in der Biographie im Ersten Band) und zu Verwechslungen (darunter eine, die Ruf selbst zweifellos geärgert hätte, nämlich die Identifizierung von Jakob Ruf und Walther Hermann Ryff). Diese Irrtümer sind noch in Nachschlagewerken jüngeren Datums zu finden . In der Forschung kam es zu unterschiedlichen Namensschreibungen, je nach dem, ob die medizinhistorische Forschung vom Autor des Geburtshilfebuchs oder die germanistische Forschung vom Theaterautor sprach. Dieses forschungsgeschichtliche Verwirrspiel ist einzigartig.
Wer nach Spuren der Erinnerung an Jakob Ruf sucht, stösst auf Kuriositäten (mehr dazu in Hildegard E. Keller, Einleitung, Fünfter Band, S. 11-17). Sein Name erschien gemeinsam mit dem Holzschnittkünstler Heinrich Vogtherr in einem Ketzerkatalog der katholischen Kirche. Fälschlicherweise hielt man Ruf für den Erfinder der Geburtszange. Der bekannte Pariser Anatom Croissant de Garengeot (1688-1759) behauptete 1742, nicht William Harvey, sondern Jakob Ruf sei der Entdecker des Blutkreislaufs – eine Entdeckung notabene, die als eine der bedeutendsten in der ganzen Geschichte der Medizin gilt. Der Berner Arzt und Gelehrte Albrecht von Haller (1708-1777) korrigierte, Ruf habe im Trostbüchlein lediglich vom zirkulierenden Lebensgeist, nicht aber von Flüssigkeiten und Herzkontraktionen gesprochen.
Gelehrte Ärzte in Europa setzten sich seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert mit Rufs deutschen und lateinischen Schriften auseinander. Die Rezeption seiner Werke wurde in Jakob Ruf. Leben, Werk und Studien rekonstruiert. Darunter sind kleine Werke wie die Fischsprüche, die später im Fischbuch von Gregor Mangolt, das Konrad Gessner ohne Wissen des Autors in Druck gegeben hatte. Darunter ist aber auch das Trostbüchlein, mit dem Ruf die Zürcher Hebammenausbildung reformierte. Besondere Aufmerksamkeit verdienen Rufs Monster- bzw. Wundergeburtensammlung, rezipiert von Ambroise Paré und andern rezipiert (vgl. Editionseinleitung und -kommentar im Vierten Band), die Embryologie in Text und Bild und die Pragmatik des Berufs-Lehrbuchs für Frauen.